Rahel Hirsch
Ärztin
Geb. 15.09. 1870 in Frankfurt am Main
Gest. 06.10. 1953 in London/ GB
Ihr Vater ist Direktor der Höheren Töchterschule der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Frankfurt am Main und Tochter Rahel eines seiner elf Kinder. Nach dem Abitur 1885 studiert sie Pädagogik in Wiesbaden und arbeitet bis 1898 als Lehrerin. Ein Beruf, den sie weder liebt noch gewollt hat, aber für das von ihr präferierte Medizinstudium besteht im Deutschen Reich des 19. Jahrhunderts für Frauen noch keine Möglichkeit. Rahel Hirsch geht daraufhin in die Schweiz und schreibt sich in Zürich für ein Medizinstudium ein. Kurz darauf wechselt sie nach Straßburg (das von 1871 bis 1918 zum Reichsland Elsaß-Lothringen gehört) und legt dort im Juli 1903 ihr Staatsexamen ab.
Nach ihrer Promotion übersiedelt sie nach Berlin, wird Assistentin von Friedrich Kraus an der Charité und nach Helenefriederike Stelzner die zweite Ärztin überhaupt in der Geschichte dieser Klinik. Hirschs Interesse gilt in der Folgezeit auch und vor allem der Forschung und hier besonders der Darmschleimhaut. Als erste Frau überhaupt lädt man sie im November 1907 ein, ihre Forschungsergebnisse im Rahmen der Konferenz der Gesellschaft der Chefärzte der Charité zu präsentieren. Obgleich ihre Kollegen den von ihr beschriebenen und später belegten Vorgang als nicht stichhaltig zurückweisen, bleibt der fachliche Ruf der Medizinerin unangefochten und werden ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse – wenn auch erst Ende der 1950er Jahre – entsprechend gewürdigt: Der nach ihr benannte Hirsch-Effekt bezeichnet fortan den Übergang von Stärkekörnern vom Darm- in den Harntrakt.
Unter der Obhut von Friedrich Kraus übernimmt Rahel Hirsch 1908 die Leitung der Poliklinik der II. Medizinischen Klinik der Charité und erhält 1913 als erste Medizinerin in Preußen den Professorentitel verliehen. Eine Dozentur oder ein Lehrstuhl bleiben ihr als Frau allerdings weiterhin versagt und ein Gehalt wird der profilierten Forscherin ebenfalls vorenthalten. Diese Umstände letztendlich sind es, die sie veranlassen, 1919 der Charité den Rücken zu kehren und sich vollständig auf ihre Praxis am Kurfürstendamm zu konzentrieren.
Infolge der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wird der jüdischen Medizinerin die Kassenzulassung entzogen und die Behandlung von Nicht-Juden untersagt. Im Oktober 1938 gibt Dr. Rahel Hirsch ihre Praxis auf und emigriert nach Großbritannien, wo in London eine ihrer Schwestern wohnt. Ihre Arbeit als Ärztin kann sie allerdings nicht fortsetzen: Da die britischen Behörden ihre Approbation nicht anerkennen, ist sie gezwungen, sich ihren Lebensunterhalt zunächst als Laborassistentin und später als Übersetzerin zu verdienen. Ihre letzten Lebensjahre verbringt sie – geplagt von Depressionen, Wahnvorstellungen und Verfolgungsängsten – in einer Nervenheilanstalt am Rande Londons.
Erst über ein halbes Jahrhundert nach ihrem Tod wird 2006 eine Straße (gegenüber des neuen Hauptbahnhofes) in Berlin nach Rahel Hirsch benannt, 2013 gibt die Deutsche Post eine Gedenkbriefmarke anlässlich des 100. Jahrestages der Verleihung des Professorentitels an die renommierte jüdische Wissenschaftlerin heraus, und vor einem Hörsaal der Inneren Medizin an der Charité erinnert eine Bronzeplastik an die erste preußische Medizin-Professorin.
Quellen:
{ln:nw:https://de.wikipedia.org/wiki/Rahel_Hirsch }
WIR FRAUEN, Jahrgang 34, Herbst 3/2015, S. 35
{ln:nw:http://self.gutenberg.org/articles/Rahel_Hirsch }
Links (deutsch):
{ln:nw:http://www.deutsche-biographie.de/pnd120141957.html }
{ln:nw:https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&query=120141957 }
{ln:nw:http://denkmaeler.charite.de/site/hirsch/denkmal/ }
{ln:nw:http://www.onmeda.de/persoenlichkeiten/hirsch.html }
{ln:nw:http://www.aerzteblatt.de/archiv/109452/Staerkekoerner-in-Blut-und-Urin-Rahel-Hirsch-wurde-1907-von-den-Charitae-Aerzten-ausgelacht }
{ln:nw:http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:r8fNQI4nmMMJ:www.weltwissen-berlin.de/index.php/streiten.html%3Ffile%3Dtl_files/Wissenswege_erster_Teil/Wissenswege_Streiten/Staerkekoerner_Hirsch%2520gegen%2520Kraus.pdf+&cd=54&hl=de&ct=clnk&gl=de }
{ln:nw:http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/gesundheit/medizin-frauen-die-erste-professorin/4070972.html }
{ln:nw:http://link.springer.com/article/10.1007%2FBF02659589#page-1 }
International:
{ln:nw:http://jwa.org/encyclopedia/article/hirsch-rahel }
{ln:nw:https://en.wikipedia.org/wiki/Rahel_Hirsch }
{ln:nw:http://query.nytimes.com/gst/abstract.html?res=9F06E3DE103FE633A25755C1A9679D946296D6CF }
{ln:nw:http://www.worldcat.org/title/fraulein-professor-lebensspuren-der-arztin-rahel-hirsch-1870-1953/oclc/39945696 }
{ln:nw:http://www.berlin.de/2013/en/portraits/selected-portraits/hirsch-rahel/ }
{ln:nw:http://www.researchgate.net/publication/12810767_Rahel_Hirsch_%281870-1953%29._The_first_Prussian_woman_medical_professor }
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