Theresie Marianne Luise Emilie Marie Schmidl (Schmiedl)
Ethnologin und Bibliothekarin
Geb. 03.08. 1890 in Berchtesgaden
Gest. 1942
Ihre Kinder und Jugendjahre verlebt die Tochter eines jüdischen Rechtsanwaltes zuerst in Wien (wo sie das vierklassige reformpädagogische Schwarwald’sche Gymnasium besucht) danach in Graz (wo sie im Sommer 1910 ihr Abitur), und dann wieder in Wien. Hier studiert sie Mathematik und theoretischen Physik, wechselt zum Wintersemester 1913/1914 jedoch zur Ethnographie, Volkskunde und Anthropologie, die sie bei Michael Haberlandt (zu dessen Schülerinnen u.a. auch {ln:Goldstern, Eugenie ‚Eugenie Goldstern} gehört) und Rudolf Pöch hört. 1916 wird Marianne Schmidl als erste Frau ihres Studiengangs promoviert, arbeitet anschließend am Berliner Museum für Völkerkunde, ab Herbst 1917 dann als Assistentin von Theodor Koch-Grünberg am Linden-Museum in Stuttgart. Ab März 1921 ist sie an der Österreichischen Nationalbibliothek tätig (ab 1924 als Beamtin) und betreut als Referentin die Wissenschaftsbereiche Anthropologie, Naturwissenschaft, Mathematik und Medizin. Daneben setzt sie ihre wissenschaftlichen Forschungen auf dem Gebiet der afrikanischen Kulturgeschichte fort, wobei sie sich insbesondere auf Korbflechterei spezialisiert. Ab 1926 arbeitet sie an einem Forschungsprojekt, in dessen Verlauf sie Recherchen in ethnographischen Museen in der Schweiz, Frankreich, England, Belgien, Deutschland und Italien betreibt.
Nach dem “Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich wird Marianne Schmidl im Zuge der Repressionen gegen jüdische Beamte unter Halbierung ihrer Bezüge in den “dauernden Ruhestand“ versetzt. Aus Krankheitsgründen kann sie auch ihr laufendes Forschungsprojekt nicht beenden, woraufhin der Projektleiter Otto Reche von ihr die Rückzahlung von Fördermitteln verlangt. Im März 1939 muss die Wissenschaftlerin ihre gesamten Arbeitsunterlagen abliefern, die Ergebnisse werden nicht publiziert. Um die sogenannte “Judenvermögensabgabe“ bezahlen zu können, ist die Völkerkundlerin gezwungen, im Familienbesitz befindliche Kunstwerke zu verkaufen. Freunde legen ihr nahe, zu emigrieren, dazu jedoch fehlen ihr die finanziellen Mittel. Im April 1942 wird Dr. Marianne Schmidl ins polnische Ghetto Izbica deportiert. Ihr letztes Lebenszeichen datiert vom Mai 1942. Die Umstände und das genaue Datum ihres Todes sind unbekannt.
Literatur:
- Ø F. Hillbrand-Grill: Schmidl (Theresie) Marianne. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 10, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1994, ISBN 3-7001-2186-5, S. 325.
- Ø Susanne Blumesberger: Verlorenes Wissen. Ein gewaltsam abgebrochener Lebenslauf am Beispiel von Marianne Schmidl. In: Helmut W. Lang (Hrsg.): Mirabilia artium librorum recreant te tuosque ebriant. Phoibos, Wien 2001, ISBN 3-901232-27-3, S. 9–19
- Ø Doris Byer: Marianne Schmidl. In: Brigitta Keintzel (Hrsg.): Wissenschaftlerinnen in und aus Österreich. Böhlau, Wien 2002, ISBN 3-205-99467-1, S. 655–658
- Ø Katja Geisenhainer: Marianne Schmidl (1890–1942). In: Zeitschrift für Ethnologie. Band 127, 2002, S. 269–300
- Ø Katja Geisenhainer: Marianne Schmidl (1890–1942). Das unvollendete Leben und Werk einer Ethnologin. Universitätsverlag, Leipzig 2005, ISBN 3-86583-087-0 (enthält auch Schmidls unvollendet gebliebene Arbeit über afrikanische Spiralwulstkörbe)
- Ø Ilse Korotin: „[…] vorbehaltlich eines jederzeit zulässigen Widerrufes genehmigt“. Ausgrenzung und Verfolgung jüdischer Wissenschafterinnen und Bibliothekarinnen. In: Österreichische Bibliothekarinnen auf der Flucht. Verfolgt, verdrängt, vergessen? Praesens, Wien 2007, ISBN 978-3-7069-0408-7, S. 103–126
Quellen:
{ln:nw:https://de.wikipedia.org/wiki/Marianne_Schmidl }
{ln:nw:https://books.google.de/books?id=5nNNYPXFzOYC&pg=PA51&lpg=PA51&dq=Marianne+Schmidl&source=bl&ots=EkA0uSYeTK&sig=miP__Cdvb3PzkPCnuPzbzKHVAh4&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjj6LinoqLKAhUFOQ8KHb9sBrMQ6AEIITAB#v=onepage&q=Marianne%20Schmidl&f=false}
{ln:nw:http://www.biographien.ac.at/oebl_10/325.pdf }
Links (deutsch):
{ln:nw:http://www.biographien.ac.at/oebl_10/325.pdf }
{ln:nw:http://univerlag-leipzig.de/catalog/article/577-Marianne_Schmidl_18901942 }
{ln:nw:http://www.provenienzforschung.gv.at/wp-content/uploads/2014/04/Schmidl_Marianne_2013-03-08.pdf }
{ln:nw:http://wien.orf.at/news/stories/2574706/ }
{ln:nw:https://www.preussischer-kulturbesitz.de/pressemitteilung/news/2014/10/08/zwei-werke-aus-dem-kupferstichkabinett-restituiert.html }
{ln:nw:http://images.google.de/imgres?imgurl=http://www.volkskundemuseum.at/jart/prj3/volkskundemuseum/images/img-db/1392391557717 }
{ln:nw:https://books.google.de/books?id=6bOFBwAAQBAJ&pg=PA58&lpg=PA58&dq=Marianne+Schmidl&source=bl&ots=7Ej0PRfARZ&sig=8kvTf6E0WL73EyyYAmWBa7Z8K3s&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwixiuaXnaLKAhXBKQ8KHY22AnA4FBDoAQgiMAI#v=onepage&q=Marianne%20Schmidl&f=false }
{ln:nw:http://david.juden.at/kulturzeitschrift/70-75/71-gruber.htm }
Die Kommentare sind deaktiviert.