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Meyerhold, Wsewolod Emiljewitsch

H.A.M. 0

Wsewolod Emiljewitsch Meyerhold

(ursprgl. Karl Kasimir Theodor Meiergold)

Schauspieler und Regisseur

Geb.  09.02. 1874 in Pensa/ Russ. Reich

Gest. 02.02. 1940 in Moskau/ UdSSR

 

„Ich möchte im Zeitgeist brennen. Ich wünschte, alle Diener der Bühne wären sich ihrer hohen Mission bewusst. Ja, das Theater könnte eine riesige Rolle beim Umbau alles Bestehenden spielen!“

(Meyerhold 1901 in einem Brief an Anton Tschechov)*

 

Der Sohn eines Weinhändlers russlanddeutschen Ursprungs wird evangelisch-lutherisch getauft. Nach Abschluss seiner Schule 1895 beginnt er das Studium der Rechtswissenschaften an der Moskauer Universität, bricht es jedoch wieder ab. Im selben Jahr noch konvertiert er zum russisch-orthodoxen Christentum und nimmt den Namen “Wsewolod Emiljewitsch“ an.

 

Seine Schauspielerkarriere startet der mittlerweile verheiratete Wsewolod Meyerhold mit einem Studium an der Moskauer Art Theatre School, wo unter anderem der renommierte russische Dramaturg und Theaterregisseur Wladimir  Nemirowitsch-Dantschenko zu seinen Lehrern gehört. Der 24Jährige Meyerhold wird Mitglied des Ensembles am Moskauer Künstlertheater, wo der Theaterreformer Konstantin Stanislawski einen nicht unwesentlichen Einfluss auf den Nachwuchsschauspieler ausübt, der fortan von Tschechovs “Die Möwe“ bis zu Sophokles‘ “Antigone“ in allen wichtigen Rollen auf der Bühne steht.

 

1902 wendet sich Meyerhold nun auch dem Regiefach zu. In den ersten Jahren stark am Realismus orientiert, wendet er sich ab 1905 allerdings gänzlich davon ab und entwickelt seinen eigenen innovativen symbolistischen Stil. Während seiner Zeit am Sankt Petersburger Wera-Kommisarschewskaja-Theater in den Jahren 1906/ 07 reifen Meyerholds künstlerischen Fähigkeiten, und nicht zuletzt diese Periode seines künstlerischen Schaffens skizziert er 1907 in seinem ersten Buch “Theatre: History and Techniques“. Bald inszeniert er auch Aufführungen an den staatlichen Theatern Sankt Petersburgs, bringt klassische Stücke auf seine ihm eigene Art auf die Bühne und stellt nicht zuletzt auch umstrittene zeitgenössische Autoren wie Fjodor Sologub, Sinaida Gippius und Alexander Blok in den Mittelpunkt. Die Eindrücke und Erfahrungen jener Jahre spiegelt sein zweites Buch, das 1913 unter dem Titel “Über das Theater“ erscheint.

 

Bald wird auch die internationale Theaterwelt auf den jungen russischen Regisseur aufmerksam, und in der Folgezeit inszeniert Wsewolod Emiljewitsch Meyerhold in verschiedenen europäischen Großstädten, darunter Paris. Obwohl die Avantgarde der russischen Künstler und Intellektuellen Meyerhold enthusiastisch unterstützt, hat das Nachwuchstalent auch Gegner. Vor allem die staatlichen Einrichtungen des Zarenreiches fordern eine mehr konventionelle, realistische Art des Theaters.

 

Nach der Oktoberrevolution 1917 engagiert sich Meyerhold zunehmend auf Seiten der Kommunistischen Partei und unterstützt vehement die Idee des sowjetischen Theaters. Er eröffnet ein eigenes Haus, das bis heute seinen Namen trägt. Ende der 1910er Jahre experimentiert der Regisseur auch mit dem Medium Film und führt u.a. Regie in einer Verfilmung von Oscar Wildes “Das Bildnis des Dorian Gray“.

 

Während des russischen Bürgerkrieges wird er 1919 von den Truppen der  (antisowjetischen) Weißen Armee festgenommen und erkrankt in der Haftzeit an Tuberkulose. Nach seiner Befreiung durch die siegreiche Rote Armee kehrt der Künstler nach Moskau zurück, wo ihm die Leitung der neuen staatlichen Verwaltungsabteilung für Theater und Schauspiel angetragen wird. Er arbeitet ein Programm des neuen russischen Theaters aus, das jedoch bei der kommunistischen Führungselite auf wenig Gegenliebe stößt und letztendlich zum Verlust seiner Leitungsposition führt. Von 1922 bis 1924 übernimmt er die Leitung des Moskauer Theaters der Revolution und gründet 1923 eine experimentelle Theatergruppe, deren Schauspieler von Meyerhold selbst oder  seinen engsten Mitarbeitern ausgebildet werden. Maßgeblich ist dabei die von ihm entwickelte Technik der Biomechanik, bei der psychologische mit physiologischen Prozessen kombiniert werden: Emotionen folgen auf physische Abläufe, so Meyerholds Theorie, nach der das Ensemble für die kommenden 16 Jahre arbeitet und, unter der Ägide seines Leiters, eine eigenständige, abstrakte, intensiv dynamische Realität auf der Bühne erschaffen will. Die offizielle Kritik honoriert dies und stellt Meyerhold auf eine Ebene mit Künstlern wie Pablo Picasso, Salvador Dalí, Franz Kafka, Dmitri Schostakowitsch und Benjamin Britten.

 

Im April 1930 gastiert (der seit 1922 in zweiter Ehe mit einer Schauspielerkollegin verheiratete) Meyerhold mit einer Auswahl von Inszenierungen der vergangenen sechs Jahre im Theater in der Stresemannstraße und an der {ln:Piscator, Erwin ‚Piscator}-Bühne im Wallner-Theater in Berlin. Im Juni 1930 folgt ein Gastspielaufenthalt in Paris. Daheim wird er in den 1930er Jahren von staatlicher Seite immer wieder der antisowjetischen Propaganda beschuldigt. Unter dem Vorwurf, dass seine Aufführungen sowohl politisch wie auch ideologisch nicht für die sowjetische Bevölkerung geeignet seien, werden die meisten von Meyerholds Produktionen durch die Zensur nicht zugelassen. Aufgrund dieser Restriktionen zieht er sich schließlich zurück und widmet sich von nun an einem Neubauprojekt für seine Theatergruppe.

 

Er wird sein Projekt nie mehr verwirklichen können. Die Stalin’schen Säuberungen machen auch vor dem renommierten Regisseur nicht halt: Sein  Theater wird 1938 zwangsweise geschlossen, ein Jahr später wird auch der Namensgeber verhaftet, seine Frau verurteilt man unter der Anklage, eine französische Spionin zu sein, zum Tode. Wsewolod Emiljewitsch Meyerhold wird bei den Verhören durch Offiziere der sowjetischen Geheimpolizei NKWD  schwersten Folterungen unterzogen und in einem Geheimverfahren zum Tode durch Erschießen verurteilt. Knapp eine Woche vor seinem Geburtstag wird der 65Jährige in Moskau per Genickschuss hingerichtet, sein Leichnam eingeäschert und in einem Massengrab auf dem Moskauer Donskoi-Friedhof beigesetzt. “Nach der Hinrichtung tut das Regime alles, um sein Werk vergessen zu machen, aber seine Anhänger verstecken seine Texte auf Dachböden und in Schränken, sie bewahren Fotoreihen der Etüden auf, die ihren Weg bis in den Westen finden und lehren andere Schauspieler heimlich die Biomechanik. In den 1980er-Jahren entsteht das erste Video, in dem die Etüden vollständig gezeigt werden – eine Offenbarung für Meyerhold-Anhänger aus aller Welt und ein Wendepunkt in der Rezeption des russischen Theaterpioniers: 1991 eröffnet schließlich das Meyerhold-Zentrum in Moskau, und in Deutschland steht die Biomechanik mittlerweile an einigen Schauspielschulen auf dem Lehrplan.“ (Hier zitiert aus: {ln:nw:http://www.br.de/radio/bayern2/wissen/kalenderblatt/2006-meyerhold-biomechanik-wsewolod-100.html})

Erst 15 Jahre später und nach Stalins Tod 1953 wird der verfemte Künstler in der Sowjetunion rehabilitiert.

 

Quellen:

*) Hier zitiert aus:  Karla Hielscher: “Wsewolod Meyerhold. Ein Avantgardist durch und durch“/ Deutschlandradio Kultur v. 02.02. 2015/  {ln:nw:http://www.deutschlandradiokultur.de/wsewolod-meyerhold-ein-avantgardist-durch-und-durch.932.de.html?dram:article_id=310392 }

{ln:nw:https://de.wikipedia.org/wiki/Wsewolod_Emiljewitsch_Meyerhold }

volume_up{ln:nw:http://www.br.de/radio/bayern2/wissen/kalenderblatt/2006-meyerhold-biomechanik-wsewolod-100.html}

 

Links (deutsch):

{ln:nw:https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&query=118641050 }

{ln:nw:http://www.inac-berlin.de/Biomechanik%20Meyerhold.html }

{ln:nw:http://www.theater-biomechanik.de/wb/pages/informationen-zur-biomechanik/die-theorie.php }

{ln:nw:http://www.fu-berlin.de/presse/publikationen/fundiert/archiv/2007_01/07_01_gronau/gronau.pdf }

{ln:nw:http://theaterstaat.com/heidi-hammer-zur-entfremdung-im-theater-von-wsewolod-emiljewitsch-meyerhold/ }

{ln:nw:http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43375243.html }

{ln:nw:https://de.rbth.com/kultur/2015/03/26/tschechow_bis_meyerhold_wegbereiter_des_modernen_schauspiels_33229 }

{ln:nw:http://www.schauspiel-zentrum.de/wp-content/uploads/2016/02/Das-russische-Theater-von-Stanislawski-u.-Meyerhold.pdf }

 

International:

{ln:nw:http://www.glopad.org/pi/en/record/person/214 }

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