Lili Körber (Pseudonym Agnes Muth)
Schriftstellerin
Geboren am 25. Februar 1897 in Moskau
Gestorben am 11. Oktober 1982 in New York
Berühmt wurde sie mit ihrem autobiographischen Roman „Die Ehe der Ruth Gombertz“, der 1934 in Wien unter dem Titel „Eine Jüdin erlebt das neue Deutschland“ erschien und eines der ersten Bücher gegen Hitler war. Deshalb wurde es auch gleich nach Erscheinen in einem spektakulären Zensurprozess verboten. Zwei Jahre zuvor hatte sie bereits Aufsehen erregt mit dem Reportageroman „Eine Frau erlebt den roten Alltag“.
Lili Körbers Vater war Österreicher, die Mutter Polin. Nach der Oktoberrevolution von 1917 musste die Familie Moskau verlassen. Sie absolvierte ihr Literaturstudium in der Schweiz, Wien und in Deutschland, promovierte in Frankfurt über Franz Werfel. In Wien, dem neuen Wohnsitz ihrer Eltern, arbeitete sie journalistisch für die „Arbeiterzeitung“.
Der breiten Öffentlichkeit wurde Lili Körber bekannt, als sie mit anderen Schriftstellern und Schriftstellerinnen in der so genannten Zwischenkriegszeit zu einem Besuch in die im Aufbau befindliche Sowjetunion eingeladen wurde.
Sigrid Schmid von der Universität Salzburg schreibt darüber in einer Veröffentlichung über „Schriftstellerinnen im Exil – Zuständig fürs Überleben“:
„Anders als die anderen Delegationsmitglieder – darunter Anna Seghers – war sie aufgrund ihrer Russisch-Kenntnisse nicht auf die Reiseführer angewiesen. Sie entschied sich, das neue Regime wirklich kennen zu lernen und ließ sich als ungelernte Arbeiterin in den Putilow-Werken anstellen, wo sie über ein halbes Jahr arbeitete. Ihre Erfahrungen verarbeitete sie in dem Roman >Eine Frau erlebt den roten Alltag<.
Dabei entwickelte sie eine neue Romanform, ein Tagebuch, in dem eine Liebesgeschichte verbunden wird mit genauen journalistischen Berichten, mit Zeitungsausschnitten, montierten Wandzeitungen, Aufrufen etc. Diese Form verwendet sie auch in ihren Berichten über die Auswirkungen der Machtübernahme durch die Nazis auf das Leben einer jüdischen Schauspielerin, die mit einem „Arier“ verheiratet ist und als letzten Ausweg nur mehr den Selbstmord sieht (>Eine Jüdin erlebt das neue Deutschland< 1934, neu aufgelegt unter dem Titel >Die Ehe der Ruth Gompertz< 1984) und in ihrem Bericht über den „Anschluss“ Österreichs, der 1938 in einer Schweizerischen Zeitung unter demPseudonym Agnes Muth erscheint.
Ihr Exilweg führt über Frankreich, wo sie noch als Journalistin arbeiten kann, und in die USA (New York). Zwar versucht sie auch dort weiter zu schreiben, doch nur einige wenige Gedichte werden publiziert. Sie vollzieht darauf hin einen radikalen Bruch mit ihrer Vergangenheit und macht eine Ausbildung als Krankenschwester. Sie übt diesen Beruf bis zu ihrer Pensionierung aus. Im Gegensatz zu ihr gelingt es ihrem Ehemann Grave in seinem eigenen Berufsfeld in den USA Fuß zu fassen. Dass die radikale Entscheidung für einen Brotberuf keineswegs unproblematisch war, drückt das Gedicht aus, in dem Körber die schwierige Situation der Emigrantinnen zwischen der alten und der neuen Heimat, dem alten und dem neuen Leben thematisiert:
Amerika, Amerika
Ich sitze zwischen zwei Stühlen,
Der alten und neuen Welt,
Dort bin ich mit meinen Gefühlen,
Doch hier verdien ich mein Geld.
Dort schrieb ich glühende Verse
Und sang >Zur Freiheit, zum Licht!<
Hier spiel‘ ich auf der Börse
Und höre den Baseballbericht.
Oh neue Welt, die mir mein Ich zerriß,
Mein Selbstbewußtsein und mein Selbstvertrauen,
Du bist wie ein nicht passendes Gebiß,
Doch ohne Dich könnte ich nicht kauen.
Wenige Jahre vor ihrem Tod fallen Lili Körbers Bücher der US-Germanistin Viktoria Hertling auf, die Interviews mit ihr macht. Die Dichterin hat das Glück, ihre Wiederentdeckung noch erleben zu können.“
Autorin:
Sigrid Schmid, bearbeitet von Hajo Jahn
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