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Kramer, Theodor

H.A.M. 0

Theodor Kramer
Schriftsteller


Geb. 1.1.1897 in Niederhollabrunn/ Österreich
Gest. 3.4.1958 in Wien/ Österreich


„Andre, die das Land so sehr nicht liebten,
warn von Anfang an gewillt zu gehn;
ihnen – manche sind schon fort – ist besser,
ich doch müßte mit dem eignen Messer
meine Wurzeln aus der Erde drehn“.

(Theodor Kramer, 1938)

»Wo andere wegschauten, hat Theodor Kramer genau hingesehen … Seine Gedichte sind unsentimental, aber mitfühlend; sie kommen ohne düsteres Pathos und auftrumpfende Menschenverachtung aus … Die Lyrik Theodor Kramers schlägt Funken, lebendig, als wäre sie gerade geschrieben worden.«

(Marion Löhndorf, Neue Zürcher Zeitung)


Der Sohn eines jüdischen Gemeindearztes wächst gemeinsam mit seinem älteren Bruder Richard auf. Nach dem Besuch der Volksschule ist er ein Jahr lang Schüler des Realgymnasiums in Stockerau, bevor er 1908 in die Realschule in der Vereinsgasse im zweiten Wiener Gemeindebezirk überwechselt.

1913 treten die beiden Brüder der Freideutschen Jugend bei. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten lyrischen Versuche Kramers. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges legt Kramer sein Abitur ab, anschließend ist er bis zum Juli 1915 Hörer der sog. Exportakademie in Wien, bevor er im Oktober 1915 zum Kriegsdienst einberufen und an der Ostfront schwer verwundet wird.


Zwischen dem Sommersemester 1918 und dem Wintersemester 1920/1921 studiert Kramer Germanistik, Geschichte und Jura, muß das Studium aber aus finanziellen Gründen abbrechen. Bereits während seiner Studienzeit arbeitet er als Werkstudent, zwischen 1919 und 1931 als statistischer Beamter, Angestellter in verschiedenen Buchhandlungen, als Geschäftsführer und Verlagsvertreter. Die 20er Jahre sind auch die Zeit seiner ausgedehnten Wanderungen durch Niederöstereich und das Burgenland; Erfahrungen, die sich neben seinen Kriegserinne-rungen in seiner frühen Lyrik spiegeln. Aus dem Jahre 1926 stammt Kramers erste Gedicht-Veröffentlichung unter dem Titel „Anderes Licht“ in der Zeitschrift „Die Bühne“.


Leo Perutz ist einer jener Freunde, die Kramer in jenen Jahren mit schriftstellerischem Rat unterstützen und ihm die Wege zu den Verlagen und in die Öffentlichkeit ebnen. 1927 beteiligt er sich zum ersten Mal an einem Lyrik-Wettbewerb des S. Fischer -Verlages. 1928 wird Theodor Kramers erster Gedichtband „Die Gaunerzinke“ im Frankfurter Verlag Rütten & Loening gedruckt und von der Literaturkritik überwiegend positiv aufgenommen. Noch im selben Jahr erhält er den Lyrikpreis der Stadt Wien. Die nazistische Kritik freilich meint schon damals, ihn als „Hofpoeten der Demokratie“ (Alfred Rosenberg) denunzieren zu können, und aus der christlich-sozialen Ecke glaubte man Kramer u. a. wegen seines angeblichen „jüdischen Jargons“ verunglimpfen zu dürfen (Rudolf Sobotka).


Bis 1933 kann Theodor Kramer von seinen Publikationen in diversen Zeitungen, Zeitschriften und Anthologien und den Einnahmen aus diversen Rundfunksendungen leben. Kramers Gedichte werden in Wien, Berlin und Prag gedruckt. 1929 wird ihm der Preis der Julius Reich-Stiftung verliehen. Kramer liest in Wiener Arbeiterheimen und Volkshochschulen. 1930 folgt der nur 14 Texte umfassende Gedichtband „Kalendarium“, heraus-gegeben in der Reihe der Flugblätter des Kartells Lyrischer Autoren und des Bundes Deutscher Lyriker in Berlin.


1931 nimmt sich der Zsolnay-Verlag der Gedichte Kramers an: Es erscheinen seine nach langem Schweigen erst zwischen 1928 und 1930 entstandenen Kriegsgedichte unter dem Titel „Wir lagen in Wolhynien im Morast …“, gewidmet seiner späteren Frau Inge Halberstam. Aufgrund einer schweren Erkrankung mit mehrmonatigem Klinikaufenthalt ist Theodor Kramer gezwungen, ausschließlich von seinen Einkünften als Lyriker mehr schlecht als recht zu leben. Eine für den Schlesischen Rundfunk geschriebene Lebensskizze (1931) zieht zum ersten Mal Bilanz. In seinem Text „Der Lyriker kalkuliert“ als Antwort auf eine Rundfrage des „Berliner Tageblatts“ berichtet Kramer über seine Arbeitsweise. Auf der Suche nach einem festen Einkommen versuchte er auch, 1930 als Mitarbeiter beim Ullstein-Verlag unterzukommen, was allerdings scheitert.


Im Januar 1933 nimmt Kramer an der Gründungsversammlung der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“ in Wien teil und wird in den Vorstand, ein Jahr später sogar zum Obmann-Stell-vertreter gewählt (u. a. gehören Josef Luitpold Stern, Fritz Brügel, Rudolf Brunngraber, Ernst Waldinger, Oskar Maria Graf oder Hermynia zur Mühlen der Vereinigung an) -, gleichzeitig aber reduzieren sich – zuerst im Deutschen Reich und ab Februar 1934 auch in Österreich – seine Publikationsmöglich-keiten eklatant.

Sämtliche Werke Theodor Kramers stehen bei den Nazis auf der „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ der „Reichsschrifttumskammer“. Auch das 1934 erlassene Verbot der Vereinigungen der österreichischen Sozialdemo-kratie und der Arbeiterpresse durch das Dollfuß- und Schusch-nigg-Regime trifft ihn mehr als hart. FreundInnen wie Otto Basil, Anna Blaukopf, Fritz Hochwälder, Leopold Liegler, Viktor Matejka, Johann Muschik, Erika Mitterer, Paula von Preradovic oder Otto Spranger sind es, die ihm finanziell beistehen und ihm helfen, z.B. mit Lesungen in Privatwohnungen (z.B. bei Matejka) und durch einen sogenannten „Kramer-Schilling“.

Ende 1935 stirbt Kramers Vater. 1936 erscheint sein bis dahin umfangreichster Gedichtband mit Texten aus den Jahren zwischen 1927 und 1935 unter dem Titel „Mit der Ziehhar-monika“ im Wiener Gsur-Verlag.


„Fremd war Kramer das austromarxistische Leitbild vom ´Neuen Menschen´, der aus dem Industrieproletarier wachsen sollte, fremd war ihm jede sozialistische Asketik […] und fremd war ihm jene zugleich grandiose und gefährlich abstrakte Orientierung auf eine bessere Zukunft hin, auf eine Welt jenseits der Entfremdungen. Kramer benötigte das Ideal vom Neuen Menschen nicht, um die Würde des Menschen zu entdecken und so seinen Anspruch auf Veränderung der entwürdigenden Verhältnisse zu legitimieren; ihm genügte dieser Mensch, um mit Wut und Zuneigung, Beharrlichkeit und Unversöhnlichkeit in abertausenden Gedichten von ihm zu sprechen.“
(Karl Markus Gauß: Theodor Kramer 1987 – 1958. Dichter im Exil. Arbeiterkulturverein Salzburg 1983, S. 5f)


Der sogenannte „Anschluß“ Österreichs im Jahre 1938 bedeutet für Kramer Berufsverbot, Arbeitslosigkeit, Verlust der Wohnung und einer zunehmende Aussichtslosigkeit, was im August 1938 in einen psychischen Zusammenbruch mündet. Seine zwischen März und Juli 1938 – angesichts der nazistischen Bedrohung – entstandenen Gedichte sind selbstvergewissernde lyrische Antworten auf die Katastrophe und werden erst 1946 unter dem Titel „Wien 1938“, ergänzt durch Gedichte aus dem britischen Exil, im Sammelband des Globus-Verlages „Wien 1938/Die Grünen Kader“ publiziert.

Seit Herbst 1938 versucht Theodor Kramer verzweifelt, mit Hilfe einiger FreundInnen, in ein Asyl-Land zu entkommen. England, die Schweiz, die USA und die Dominikanische Republik werden ins Auge gefaßt, bis endlich im Juli 1939 die Ausreise nach Großbritannien gelingt, nicht zuletzt durch eine Intervention von Thomas Mann.
Kramers Ehefrau hatte bereits im Februar 1939 nach England einreisen können. Theodor Kramer wird vom Internationalen P.E.N.-Club unterstützt, kann vorerst in London leben, wird dann aber zwischen Mai 1940 und Januar 1941 als „feindlicher Ausländer“ auf der Isle of Man interniert. Seine Lebensum-stände sind mehr als bedrängend: er arbeitet als Diener in einem größeren Haushalt und ist auf Almosen angewiesen, bis er an seinem 46. Geburtstag die Stelle eines Bibliothekars im County Technical College in Guildford (Surrey), weit ab von London, antreten kann – „gleichsam ein Exil im Exil“ (Erwin Chvojka). In diese Exilzeit fällt die Teilnahme am Weltkongreß des P.E.N.-Clubs in London 1941 und an der vom P.E.N. veranstalteten Kulturkonferenz im Austrian Center/London 1943, die Bekanntschaft u.a. mit Erich Fried, Eleanor Farjeon und Hilde Spiel, Kramers Lesungen in Sendungen der BBC für Österreich und Publikationen von Texten Kramers in diversen deutschsprachigen Exilzeitschriften (z. B. Austro-American Tribune, Der Aufbau, Aufruf).

Im Januar 1943 stirbt Kramers Mutter – wie ihr Sohn allerdings erst nach Kriegsende erfährt – im Konzentrationslager There-sienstadt. 1943 trennt er sich von seiner Ehefrau und im selben Jahr erscheint unter dem Titel „Verbannt aus Österreich. Neue Gedichte“ ein Band mit Lyrik aus den Jahren 1938 bis 1942.


Trotz mehrerer Möglichkeiten, unmittelbar nach dem Krieg nach Österreich zurückzukehren, kann sich Kramer dennoch nicht zu einer schnellen Heimkehr entschliessen. Im Wiener Globus-Verlag erscheinen im Jahr 1946 die beiden Gedichtbände „Wien 1938/Die Grünen Kader“ und „Die untere Schenke“, und verschiedene österreichische Zeitungen und Zeitschriften machen auf den weitgehend unbekannten Lyriker aufmerksam. Gegen Ende des Krieges und unmittelbar danach stellte Kramer einen weiteren Sammelband zusammen, der unter dem Titel „Lob der Verzweiflung“ erst nach dem Tode des Autors zu dessen 75. Geburtstag von Erwin Chvojka herausgegeben werden kann und Gedichte aus den Jahren zwischen 1941 und 1946 enthält.

Die Gedichte aus „Die untere Schenke“ entstehen zwischen 1943 und 1945. Im Jahr 1947 wird Theodor Kramer der Preis der Österreichischen Liga für die Vereinten Nationen verliehen. Eine umfangreiche Briefkorrespondenz u. a. mit Hilde Spiel, Harry Zohn, Michael Guttenbrunner und Erwin Chvojka stammt aus dieser Zeit. Kramers Kräfte, seine lyrische Produktion zu sichten und in neuen Sammlungen zusammenzufassen, schwindet zusehends. 1951 erwirbt er die britische Staatsangehörigkeit. Kramers Freund Michael Guttenbrunner gibt 1956 unter dem Titel „Vom schwarzen Wein“ eine Auswahl von Kramer-Texten heraus, die im Salzburger Otto Müller Verlag erscheint.


Erst Mitte der 50er Jahre gelingt es einigen Freunden Kramers – in Zusammenarbeit mit österreichischen Stellen, den Ministerien für Äußeres und für Unterricht sowie mit dem österreichischen Bundespräsidenten, der für Kramer an dessen 61. Geburtstag eine Ehrenpension stiftet -, den Lyriker im Herbst 1957 nach Wien zurückzuholen. Der finanziellen Unterstützung und Würdigung des kranken Kramer dienen nicht zuletzt auch die Verleihungen des Förderungspreise der Theodor-Körner-Stiftung
in den Jahren 1956 und 1957.

Posthum wird ihm der Literaturpreis der Stadt Wien des Jahres 1958 verliehen. Theodor Kramer findet seine letzte Ruhestätte in einem „Grab in bevorzugter Lage“ der Gemeinde Wien auf dem Wiener Zentralfriedhof.


Links (deutsch):

http://www.sbg.ac.at/ger/kmueller/theodor_kramer_gesellschaft.htm

http://www.literaturhaus.at/buch/buch/rez/kramermueller/bio.html

http://www.onb.ac.at/sichtungen/rezensionen/kaukoreit-v-1b.html

http://www.literaturhaus.at/buch/buch/rez/kramermueller

http://www.literaturepochen.at/exil/multimedia/pdf/krameressaykaiser.pdf

http://www.literaturepochen.at/exil/multimedia/pdf/kramerenglandkaiser.pdf

http://www.donaufestival.at/index.htm?2303_DEU_HTML.htm

http://www.zsolnay.at/autoren/kramer.htm

http://www.gloth.de/kramer.htm

http://www.burg-waldeck.de/download/kramer.pdf

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