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Krüger, Karl Pitt

H.A.M. 0

Karl Pitt Krüger
Pädagoge


Geb. 1904 in Köln
Gest. 26. 8. 1989 in Prades/ Südfrankreich


Karl Pitt KrügerDer nach seinem ersten Lehrerexamen 1924 – wie so viele Pädagogen – arbeitslose Karl Pitt Krüger kommt 1929 zum erstenmal mit den Quäkern in Berührung, deren aufs Praktische ausgerichtete Sozialarbeit den Katholiken und Schüler von Romano Guardini fasziniert und denen sich der politisch Linke und Pazifist bald darauf ganz anschließt.

 

 

 

 


Karl Pitt Krüger

1928 erhält Krüger durch Vermittlung eines sozialdemokratischen Schulrates eine Lehrerstelle in Potsdam, absolviert dort sein zweites Lehrerexamen und heiratet noch im selben Jahr eine aus Genf gebürtige Französin. Aus dieser sehr persönlichen Beziehung werden in der Folgezeit sowohl private wie offizielle Verbindungen zu Frankreich entstehen, auch und vor allem, weil Krüger im Auftrag deutscher sozialdemokratischer Lehrerorganisationen in den Folgejahren häufig in Paris zu tun hat. 

 

 

 

 


Karl Pitt Krüger

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verliert er 1933 sofort sein Lehramt, nicht zuletzt aufgrund – in den Augen der Nazis – unliebsamer Zeitungsartikel. Im Auftrag der englischen Quäkerinnen Edith Pye und Hilda Clark recherchiert Krüger im Süden Frankreichs, u.a. in der Umgebung des Pyrenäenortes Prades, nach Möglichkeiten zur Aufnahme von deutschen Emigranten.

 

 


Karl Pitt KrügerOberhalb von Prades bei Mosset findet Karl Pitt Krüger tatsächlich mit einem zerfallenen Bauernhaus ein geeignetes Objekt. Die Quäker kaufen La Coûme (was auf katalanisch so viel wie Tal-Enge heißt), dazu an die 75 ha teils bewaldetes Land für rund 35 Tausend Franc.


Jamine NoackJamine Noack, die Tochter von Karl Pitt Krüger, erinnert sich im folgenden an ihre Kindheitsjahre in den Pyrenäen:

„Mosset ist das einzige Dorf, noch heute, die immer offen war, und wo die überhaupt nicht wußten, es gab keine Medien, um zu wissen, wer mein Vater wirklich war, doch großzügig empfangen haben. Die sind zu Coume, also zu uns gefahren, die haben meinem Vater gezeigt, wie man Heu mäht, wie man Schweine pflegt, wie man Schweine tötet, weil, man mußte leben. Die haben immer geholfen (…) und dank dieser Solidarität war es möglich für meine Eltern, zu überleben!…“

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© Ulrike Müller

 


Karl Pitt KrügerNoch im selben Jahr kommt die erste Gruppe politischer Flüchtlinge aus Frankfurt nach Südfrankreich. Sie roden, bauen, pflanzen Obstbäume und renovieren das Haus, denn die französische Regierung akzeptiert damals deutsche Flüchtlinge lediglich unter der Bedingung, daß sie auch bereit sind, in der Landwirtschaft zu arbeiten. Kurz darauf wird La Coûme zur Jugendherberge umfunktioniert.


„Hierzu muß man wissen, daß die Jugendherbergsbewegung in Frankreich von sozialistischen Volksschullehrern getragen wurde und in ihrem Impetus vergleichbar ist mit unserer Jugendbewegung des beginnenden Jahrhunderts. Im Sommer richteten wir Arbeitslager ein, zu denen englische junge Quäker kamen, unter ihnen der spätere Finanz- und Verteidigungsminister Denis Healey, ein Freund unserer Schule bis heute. Natürlich verdienten wir nichts, konnten uns durch den eigenen Anbau von Nahrungsmitteln gerade so durchschlagen. Etwas besser ging es dann ab 1936 mit der Herberge, als durch die front populaire die Arbeitnehmer in Frankreich zum erstenmal einen bezahlten Urlaub bekamen und so unsere Gäste mehr wurden. Es kam damals auch der später berühmt gewordene Philosoph Merleau-Ponty. 1938 konnten wir uns mit Hilfe einer englischen Spende das erste Auto zulegen, mußten dann nicht mehr mit dem Rad zum Einkaufen nach Prades hinunter.“

Quelle: Gerhard Trapp, La Coûme: Schule hinter den sieben Bergen, in betrifft erziehung, N° 17, April 1984, ISSN: 0045-1789, S. 43ff.


Plakat für das Pablo-Casals-Festival 2005 © Ulrike MüllerNach Ende des Spanischen Bürgerkrieges fliehen 1939 an die 300 Tausend Spanier, darunter viele elternlose Kinder, über die nahe Grenze in den französischen Teil der Pyrenäen. Allein in La Coûme leben 25 Kinder in einfachsten Verhältnissen. Bereits Mitte der dreissiger Jahre hat der spanische Cellist Pablo Casals in Prades Exil gefunden, und zu dem von ihm gegründeten Musikfestival kommen u.a. Yehudi Menuhin und Wilhelm Kempff, dessen Tochter übrigens auch ein Jahr lang die Schule in La Coûme besuchen wird.

„Pablo Casals, der große Cellist, war natürlich gegen dieses Franco-Regime und kam als Flüchtling hier (nach) Prades. Er hat hier am Ende dieser Straße gelebt (…). Und er war nicht so gut empfangen in Prades…Hinterher macht man Casals überall! Und wie das Bach-Centennaire kam, da wollten die amerikanisch-jüdische große Künstler wie Yehudi Menuhin, Isaak Stern usw., wollten eigentlich, daß Casals nach Paris kommt und ein Konzert macht, mit Bach. Mit denen allen zusammen, mit Bachwerken. Und er hat gesagt: Nein! Er bleibt hier und das macht er nicht. So lange Franco da ist, kann er (den) anderen Flüchtlingen gegenüber (das) nicht machen.

Meine Eltern haben natürlich sofort mit Casals Kontakt gehabt wegen dieser Kinder, also die Flüchtlingskinder, hat sich sehr interessiert: wie sind die untergebracht? Also, so ein kleines „Dickele“ mit einem Hut und einer Pfeife und Stock, und er sprach mit allen Leuten, die da gearbeitet haben….“

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© Ulrike Müller


Bis 1944 kann sich Karl Pitt Krüger mit Hilfe der ihm wohlgesonnenen französischen Verwaltung immer wieder vor seinen Verfolgern in die oberhalb der Schule gelegenen Berge retten.


„Da hat mein Vater in eine von diese Räume ein großes Loch, also wie ein Loch für ein Fenster, gemacht. Hat uns (…) unterrichtet. Da war ein Fenster auf den Weg – die Bäume waren nicht so hoch, und man konnte sehr gut bis zur Straße sehen (…), sah man, wie die Leute hochliefen. Und da, beim Unterricht – mein Vater hatte immer ein Auge so: wenn er Gestalt sah, nahm er seine kleine Tasche da, mit Brot und Wurst wahrscheinlich, und ist durch dieses Loch verschwunden, ja. Und da in die Berge rein, wo er sich einen „Fuchsbau“ gemacht hat….“

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© Ulrike Müller


Karl Pitt KrügerEin franco-spanischer Priester aus Prades verrät den deutschen Antifaschisten jedoch an die Gestapo, weil Krüger die ihm anvertrauten spanischen Kinder nicht zur Kommunion schickt. Er wird daraufhin verhaftet und – nach einem mißlungenen Fluchtversuch – an Hitler-Deutschland ausgeliefert. Da man seine Identität nicht kennt, wird er als Soldat an die Ostfront geschickt. Verletzt landet Pitt Krüger schließlich in sowjetischer Kriegsgefangenschaft und kehrt erst 1948 aus dem damaligen Leningrad zurück.

Nach dem Krieg widmen sich Yvès und Pitt Krüger in La Coûme vor allem der Arbeit mit Kindern aus gestörten sozialen Verhältnissen und organisieren den Schul- und Internatsbetrieb nach reformpädagogischen Vorbildern der Weimarer Republik.

 


Yvès und Pitt Krüger
Exil und Gründung aus Überzeugung

Autoren: Jamine und Pierre Noack (2002)

„Pitt Krüger wollte nie weiter als bis in die Pyrenäen, aber auch nie wieder zurück nach Deutschland gehen. Dabei hat für ihn alles so ähnlich begonnen, wie für viele andere deutsche Antifaschisten auch, für die die Pyrenäen damals nur eine beschwerliche Hürde auf der Flucht ins weit entfernte Amerika bedeutete…“

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Die nicht untertitelten Fotos stammen aus Privatbesitz und wurden der Exil-Archiv-Redaktion freundlicherweise zur Verfügung gestellt.


Literatur:

Y. Grangeon, C. Haller, La Coume across the years: une experience humaine et educative – a school that discovered how to live, Verlag Bully-les-Mines, S.C.I.E., 1997, ISBN: 2-95116860-8

La Coume – Une Experience Humaine et Educative. Achevé d’imprimer sur les presses de la S.C.I.E. à Bully-les-Mines en octobre 1993. Dépot légal: 4° trimestre 1993

Emilienne Eychenne: Les portes de la liberté. Le franchissement clandestin de la frontière espagnole dans les Pyrénées-Orientales de 1939 à 1945, éditions Privat, Toulouse 1985 (vergriffen)

Hildegard Feidel-Merz (Hrsg.): Schule im Exil – Die verdrängte Pädagogik nach 1933, rororo, Reinbeck b. Hamburg 1983 (vergriffen)

Emilienne Eychenne: Les pyrénées de la liberté. Les évasions par l’Espagne 1939-1945 (Ed.France-Empire Paris 1983)

Hildegard Feidel-Merz/ Hermann Schnorbach: Lehrer in der Emigration. Der Verband deutscher Lehreremigranten (1933-39) im Traditionszusammenhang der demokratischen Lehrerbewegung Beltz-Verlag, Weinheim und Basel 1981 ISBN: 3-407-54114-7 (vergriffen)

Emilienne Eychenne: Montagnes de la peur et de l’espérance.Le franchissement de la frontière espagnole pendant la second guerre mondiale dans le départment des Hautes-Pyrénées (Ed.Privat Toulouse 1980)


Links (deutsch):

http://www.tucholsky-gesellschaft.de/index.htm?Ktgesellschaft/Rundbrief/Rundbrief_1202.htm

http://www.wanderweb.ch/pyrenaeen/flucht.html

http://www.gdw-berlin.de/tri/pdf/charie.pdf


International:

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