Leopold Lindtberg (eigtl. Leopold Lamberger)
Regisseur und Schauspieler
Geb.1. 6. 1902 in Wien/ Österreich-Ungarn
Gest.18.4. 1984 in Sils Maria/ Schweiz
„Ein Regisseur darf alles in Szene setzen, nur sich selber nicht!“
(Leopold Lindtberg)
Auch noch Jahrzehnte nach seinem Tod zählt Leopold Lindtberg in den einschlägigen Nachschlagewerken „zu den wichtigsten Schweizer Regisseuren“. Korrekt wäre die Formulierung, dass seine Filme zu den wichtigsten Schweizer Leinwandwerken gehören. Denn er war ein Immigrant, ein Zugereister. Dabei erging es ihm wie vielen anderen Flüchtlingen, die im Nachhinein der Nationalität des Landes zugeordnet werden, das ihnen Gastrecht gewährt hat. Das gilt besonders für Leopold Lindtberg, den man in der Schweiz einst als Nestbeschmutzer beschimpft hat. Doch vermutlich hätten ihn auch die Berliner so eingedeutscht, wenn es die Nazis nicht gegeben hätte. Denn die Karriere des Wieners begann als Theaterschauspieler und –regisseur in den 20er Jahren an der Spree.
„Epochemachend“ sei Leopold Lindtberg gewesen, heißt es heute. Besonders beim politischen Theater mit unzähligen Inszenierungen, darunter viele Erst- und Uraufführungen. Ob Kleist und Goethe, Ibsen, Brecht, Kafka, Zuckmayer oder Nestroy und Amerikaner wie Faulkner – sein Fächer war weit gespannt. Und es waren besonders die politischen Stücke, die sein Interesse fanden. Kein Wunder also, dass ein Avantgardist wie Lindtberg in Berlin zum großen Freundeskreis der Dichterin Else Lasker-Schüler zählte und wie diese 1933 ins sichere Exil flüchte, Lindtberg über den Umweg Paris. Aber beide trafen sich noch im selben Jahr in Zürich, wo er sogleich am Schauspielhaus ein Engagement erhielt.
So war es fast eine Selbstverständlichkeit, dass Leopold Lindtberg in dieser Schweizer Hochburg der deutschen Flüchtlinge und Nazigegner Else Lasker-Schülers christlich-jüdisches Versöhnungsstück Arthur Aronymus und seine Väter am Schauspielhaus inszenierte. Das war 1936 und leider kein Erfolg, obwohl kein Geringerer als Teo Otto das Bühnenbild entworfen hatte und bedeutende Schauspieler wie Kurt Horwitz, Wolfgang Langhoff oder Ernst Ginsberg mitspielten. Nach nur zwei Aufführungen wurde das Stück vom Spielplan genommen. Ob es an Intrigen lag oder an einer bis heute vermuteten, jedoch nie nachgewiesenen, Einflussnahme aus dem Umfeld des Reichspropagandaministers Goebbels, wird wohl nie zweifelsfrei geklärt werden.
Jedenfalls war das mal wieder ein Karriereknick für den Wiener Flüchtling aus Berlin. Dort hatte er ein Jahr vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1932 mit Wenn zwei sich streiten seinen ersten Film gedreht. Mit der Verfilmung einer Novelle des in Zürich geborenen Dichters Gottfried Keller, den missbrauchten Liebesbriefen, errang der Hitler-Gegner Lindtberg 1940 auf der Biennale von Venedig den nach dem Diktator und Hitler-Freund benannten Coppa Mussolini einen wichtigen Preis, und der Schweizer Film internationale Anerkennung. In vielen klassischen Schweizer Filmen führte er Regie, so in Füsilier Wipf (1938), Wachtmeister Studer (1939, Landammann Stauffacher (1941) oder Marie-Louise (1944).
Dann gab es 1945 einen fürchterlichen Rückschlag. Mit dem Streifen Die letzte Chance erreichte Lindtberg wieder einen Tiefpunkt seiner Karriere. In dieser Geschichte einer jüdischen Flüchtlingsgruppe in der Schweiz rechnete er mit der Asylpolitik seines Gastlandes ab. Schon bei den Dreharbeiten wurde er behindert, beschimpft und in der konservativen Presse des Landes angegriffen.
Es gehört wenig Phantasie dazu, sich vorzustellen, wie sich Exilanten im Ausland fühlen: Hin- und hergerissen. Dankbar gegenüber dem Gastland, haben sie jedoch ihre in Deutschland geschärfte Kritikfähigkeit nicht an den Grenzen abgegeben. Das galt für die linken deutschen Intellektuellen in den USA ebenso wie für Lindtberg in der Schweiz. Zwei Jahre dauerte es, ehe er wieder einen Filmauftrag bekam. Matto regiert aber wurde nur ein mässiger Kassenerfolg. Vermutlich waren Lindtberg nach den Erfahrungen der „letzten Chance“ die Flügel noch gestutzt. Aber von da an ging es besser, er wurde Mitglied der Jury beim Filmfestival von Cannes, drehte Film auf Film, 1974 auch für die erfolgreiche deutsche Fernsehserie Derrick. Erst nach einem Zerwürfnis mit seinem langjährigen Produzenten Lazar Wechsler, einer Schweizer Institution, zog er sich von der Leinwandarbeit zurück und widmete sich wieder seiner ersten Leidenschaft, dem Theater.
Autor:
Hajo Jahn
Literatur:
Nicole Metzger:
Alles in Szene setzen,
nur sich selber nicht
Der Regisseur Leopold Lindtberg
Schriften der SGTK 23-2002
Editions Theaterkultur Verlag, Basel 2002
ISBN 3-908145-43-0
Links (deutsch):
http://www.cyranos.ch/sflind-d.htm
http://www.filmevona-z.de/filmsuche.cfm?sucheNach=personNr&wert=4041
http://www.ofdb.de/view.php?page=liste&Name=Leopold+Lindtberg
http://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_Lindtberg
http://dispatch.opac.ddb.de/DB=4.1/REL?PPN=118728415
http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.l/l706666.htm
http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.l/l706666.htm
http://www.theater.ch/23-2002.html
http://www.limmatverlag.ch/sachbue/shz.htm
International:
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