Viktor Matejka
Historiker
Geb. 4.12.1901 Korneuburg b. Wien/ Österreich-Ungarn
Gest. 2.4.1993 Wien/ Österreich
„Die Kultur eines Staates gipfelt in der Kultur seiner Politik. Sie duchdringt der Wirtschaft, sie ergreift die Kultur des sozialen Lebens und der Gesellschaft. Die Kultur eines Staates ist die Kultur der 24 Stunden des Tages…“
(Viktor Matejka, Vortrag am 25. Juli 1945)
„Immer näher rückt die Politik an den Bürger heran, bis der endlich erdrückt werden kann“
„Wir mußten in der Schule im Sprechchor sagen Serbien muß sterbien! So wie ein großer Sprechchor, nicht. Und: jeder Schuß ein Ruß‘, jeder Stoß ein Franzos‘, jeder Tritt ein Britt’…“
(Viktor Matejka in einem Interview mit Ulrike Müller, 1988)
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© Ulrike Müller
Nach dem Besuch der Volks- und Mittelschule in Stockerau folgt das Studium der Geschichte und Geographie an der Universität Wien mit anschliessender Promotion im Jahre 1925. Ab 1926: Herausgeber der Zeitschriften Die Frage/ Der Leser hat das Wort und Berichte zur Kultur- und Zeitgeschichte (bis Anfang 1934). 1931 erscheint eine 315-seitige Sondernummer der Berichte zur Kultur- und Zeitgeschichte: ’Zwischenspiel Hitler’, kurz darauf die Buchausgabe. Eine zweite Auflage wird im Oktober 1932 gedruckt. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten folgt eine dritte, die von Budapest aus ins Deutsche Reich verschickt wird. Allerdings ohne die geringste Unterstützung offizieller österreichischer Stellen, denen Matejkas Handeln schon lange suspekt ist.
„Soldaten ziehen nicht in den Krieg, sondern werden aufs Schlachtfeld gezogen“
In den Jahren 1930 bis 1936 unternimmt Viktor Matejka politische Reisen nach Deutschland. 1934 bis 1938 arbeitet der Volksfront-Anhänger und Pazifist Matejka als Bildungsreferent der Kammer für Arbeiter und Angestellte (Wiener Arbeiter-kammer) und ist von 1934 bis 1936 frei gewählter Obmann der Volkshochschule Wien-Volksheim. Von 1936 bis 1938 folgen weitere politische Reisen ins europäische Ausland, nach Frankreich, Großbritannien, Belgien und in die Schweiz.
„Solange die Not nicht behoben, werde ich wenigstens darauf drängen, daß die NOT-wendigkeit richtig betont ist“
Direkt nach dem sogenannten Anschluß Österreichs im März 1938 wird Viktor Matejka verhaftet und am 1. April mit dem ersten Transport von Intellektuellen ins KZ Dachau deportiert, wo er die Häftlingsbücherei betreut und vor allem seine sogenannten Pickbücher heimlich durchs Lager kursieren lässt: eine Sammlung von Zeitungsausschnitten, mit Hitlerreden und Heeresberichten, Artikeln über Kunst, Literatur, Musik und Philosophie, säuberlich ausgeschnitten, geordnet und zu Themengruppen archiviert. Hauptmann, Trakl, Grillparzer und Rilke finden so den Weg ins Konzentrationslager. In der Häftlingsbücherei heimlich gebunden und im handlichen Oktavformat. Eine Fortsetzung von Matejkas volksbildnerischer Tätigkeit unter erschwerten Bedingungen. Politische Bildung aus dem Widerspruch nennt er dies: „Es geht nichts verloren, wenn es gesammelt und gesichtet wird!“
„Wo der Mensch ist, könnte Kultur leben“
Bereits Ende April 1945 beauftragt er in seiner Funktion als Kulturstadtrat den Grafiker Theodor Slama mit der Konzeption und Leitung einer großen antifaschistischen Ausstellung in Wien. Nach mehrmaligen Verschiebungen wird die Ausstellung Niemals vergessen im Herbst 1946 im Wiener Kulturhaus eröffnet. Eine Ausstellung, die sich als Dialogangebot versteht: auf Initiative Matejkas werden auch 125 000 Einladungen an registrierte Nationalsozialisten verschickt, verbunden mit der Empfehlung, sich den Besuch der Ausstellungen und Vorträge bestätigen zu lassen, um – so das Kulturamt Wien – „für später den Beweis ihrer Bereitwilligkeit, sich den Argumenten der Ausstellung nicht verschlossen zu haben, erbringen zu können.“
„Kunst bedarf keiner Förderung, umso mehr brauchen Künstler Förderung auf vielerlei Art“
„Ich habe von Ihrem Wunsch gehört, im Sommer Wien zu besuchen und lade Sie als Stadtrat für Kultur und Volksbildung der Stadt Wien recht herzlich ein, Ihr Vorhaben durchzuführen. Sie und Ihre Kunst haben in Wien und Österreich so viele Freunde, daß Sie mit einer herzlichen Aufnahme in Ihrer Heimat rechnen können. Wir haben Ihren Aufenthalt in Wien auch schon in bescheidenem Maße vorbereitet, indem wir an zwei Stellen der Wiener Volksbildung Ihre Holzschnitte ausgestellt haben und nun in der graphischen Sammlung Albertina eine kleine Schau vorbereiten. Ich hoffe Sie bald in Wien begrüßen zu dürfen und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr Stadtrat Viktor Matejka.“
(Viktor Matejka 1948)
Matejkas Unterfangen stößt im Nachkriegs-Österreich allerdings nur auf wenig Gegenliebe, und auch sein Versuch, dem Komponisten Arnold Schönberg die Ehrenbürgerschaft der Stadt Wien zu verschaffen, scheitert. Erst 1949 wird Schönberg Ehrenbürger seiner Geburtsstadt.
„Wer seine fünf Sinne pflegt und sonst gut beieinander hat, braucht keinen sechsten Sinn, den ausweglosen“
Viktor Matejka bleibt zeit seines Lebens ein unbequemer Mahner. Auch in seinen späteren Jahren als Gemeinderat bis 1954 und als Mitglied in der kommunistischen Partei Öster-reichs, deren Zentralkommitee er bis 1957 angehört. Matejka bleibt bis weit in die fünfziger Jahre Mitherausgeber und Redakteur der Kulturzeitschrift Das Tagebuch und mischt sich als eifriger Brief- und unerbittlicher Lesebriefschreiber immer wieder in die österreichische Politik ein. Auch in Zeiten dauerhafter Verkrankung, wie er jenen Zustand beschreibt, der ihm Jahre schweren körperlichen Leidens beschert. Einer, der von sich sagt, dass er am liebsten Menschen sammelt – und Hähne, natürlich -, von denen Viktor Matejka zum Schluß mehrere Tausend besitzt.
Am 2. April 1993 stirbt Viktor Matejka im Wilhelminenspital in Wien.
Literatur:
Viktor Matejka: Widerstand ist alles. Notizen eines Unor-thodoxen, Löcker-Verlag, Wien 1983, ISBN 3-85409-043-9
ders.: Anregung ist alles. Das Buch Nr. 2
Löcker-Verlag, Wien 1991, ISBN 3-85409-075-7
ders.: Das Buch Nr. 3, hrsgg. Von Peter Huemer und einem Vorwort von Johannes Mario Simmel, Löcker-Verlag, Wien 1993, ISBN 3-85409-222-9
Franz Richard Reiter (Hrsg.): Wer war Viktor Matejka? Dokumente-Berichte- Analysen, EPHELANT-Verlag Franz Richard Reiter, Wien 1994, ISBN 3-900766-09-6
Links (deutsch):
http://www.loecker.at/verlag.htm
http://www.kz-gedenkstaette-dachau.de
http://www.effner.de/haeftlinge/matejka.htm
http://www.springer.at/main/book.jsp?bookID=3-211-82693-9
http://www.clio-graz.net/wider/leskoschek.htm
http://zeitung.gedenkdienst.at/index.php?id=250
International:
http://www.springer.at/main/book.jsp?bookID=3-211-82693-9
http://www.jewish-theater.com/visitor/article_display.aspx?articleID=529
http://www.fca-fr.com/detail.do?noArticle=340#
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