Alexander Mitscherlich
Arzt, Psychoanalytiker und Schriftsteller
Geb. 20.9. 1908 in München
Gest. 26.6. 1962 in Frankfurt/ M.
Zu recht wird Alexander Mitscherlich stets in einem Atemzug mit seiner Frau Margarete genannt. Und stets ihr gemeinsam geschriebenes Buch Die Unfähigkeit zu trauern, mit der das Ehepaar in der restaurativen Adenauer- Republik Verdrängung und Versteinerung nach der NS-Zeit aufbrach. Aber wer weiß schon, dass er im Exil war und dass der später berühmte Psychoanalytiker seine berufliche Laufbahn 1933 als Buchhändler in Berlin begonnen hat?
Das war das Jahr, in dem – reichsweit am 10. Mai 1933 – in deutschen Großstädten die Bücher „undeutscher Schriftsteller“ verbrannt wurden. Kein Wunder, dass der 25 Jahre junge Buchhändler (der nebenher auch noch Medizin studierte) ins Visier der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) geriet, denn in seiner Berliner Buchhandlung waren selbstverständlich auch die Werke zu kaufen, die „in“ und den Nazis ein Dorn im Auge waren: Stefan Zweig und Franz Werfel, Else Lasker-Schüler, Ernst Toller, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Thomas Mann und Kurt Tucholsky oder Erich Maria Remarque, um nur einige zu nennen.
Buchhändler Mitscherlich wurde bedrängt und beleidigt, konnte nur unter schwierigen Umständen sein Geschäft betreiben und mehr schlecht als recht sein Auskommen finden. Dem Druck hielt er nur knapp zwei Jahre stand. 1935 wurde sein Laden von Amts wegen geschlossen.
Bereits während seines Studiums der Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie in der NS-Hochburg München hatte Alexander Mitscherlich die Intoleranz der Hitler-Parteigänger zu spüren bekommen. Seine bereits begonnene Dissertation musste er abbrechen: sein Doktorvater Paul Joachimsen war ein Jude, dem es auch nicht geholfen hatte, dass er zum Christentum konvertiert war und sich hatte taufen lassen. Joachimsens Nachfolger Karl Alexander von Müller verweigerte eine weitere Betreuung der Studenten und Arbeiten seines christlich-jüdischen Vorgängers.
Als nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten Alexander Mitscherlich kurzzeitig verhaftet wurde, hielt es ihn nicht mehr an der Isar. In der deutschen Hauptstadt Berlin hoffte er auf ein toleranteres Klima als in München und darauf, dass die NS-Vorherrschaft eine vorübergehende Erscheinung sein würde. Ein Irrtum, dem viele Intellektuellen erlegen waren. Als man ihn 1935 aufgrund seiner Widerstandsarbeit schließlich steckbrieflich suchte, emigrierte Mitscherlich in die Schweiz, wo er sein Medizinstudium in Zürich fortsetzen konnte.
Auf einer Fahrt nach Deutschland wurde Mitscherlich 1937 erneut festgenommen und in Nürnberg für mehrere Monate inhaftiert. 1939 schließlich konnte er sein Studium in Heidelberg mit dem Staatsexamen beenden, promovierte 1941 bei Victor von Weizsäcker und arbeitete anschließend als Neurologe an der Universität Heidelberg.
In erster Ehe war er mit Melitta Mitscherlich – der Begründerin der Psychosomatik – verbunden, heiratete 1938 Georgia Wiedemann und 1955 in dritter Ehe die dänische Analytikerin und Autorin Margarete Mitscherlich.
Alexander und Margarete Mitscherlich verband eine lebenslange Liebes- und Arbeitsbeziehung – eine erfolgreiche Symbiose. Dank des von ihnen gegründeten Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt am Main bekam die von den Nationalsozialisten verteufelte Psychoanalyse wieder Reputation in Deutschland.
Autor:
Hajo Jahn
Links (deutsch):
http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/MitscherlichAlexander/
http://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Mitscherlich
http://www.ub.uni-frankfurt.de/archive/mitscher.html
http://www.dpv-institute.de/ami-ks/
http://www.suhrkamp.de/autoren/autor.cfm?id=3306
http://www.single-generation.de/kohorten/vor_68er/alexander_mitscherlich.htm
http://www.das-parlament.de/2004/20/DaspolitischeBuch/005.html
http://www.antipsychiatrieverlag.de/versand/titel/mitscherlich.htm
http://www.boersenverein.de/de/96671?pid=133348
http://www.sgipt.org/th_schul/pa/kek/pak_kek0.htm
http://www.pm.ruhr-uni-bochum.de/pm2006/msg00009.htm
http://dispatch.opac.d-nb.de/DB=4.1/REL?PPN=118582801
http://www.antiquario.de/a_autoren/m/Mitscherlich_Alexander.html
http://www.hr-online.de/website/rubriken/kultur/index.jsp?rubrik=2039&key=standard_document_13944142
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