Radjo Monk (eigtl. Christian Heckel)
Schriftsteller und Medienkünstler
Geb. 1959 in Hainichen/ DDR
„Seit meiner Verhaftung im Herbst 1983 wusste ich, dass die Staatssicherheit mein Gedächtnis durch clandestine Protokollanten ad absurdum führen und im Zweifelsfall jede Aussage gegen mich verdreht werden konnte. Manuskripte waren aus meiner Schublade schon 1978 verschwunden…
Der schwankende Grund teilte sich mit als ein Gefühl »aus dem Bauch heraus«, bestimmte Dinge nicht aufzuschreiben. Eine innere Stimme, die nicht von heute auf morgen verstummte und auf die ich noch lange nach der Besetzung der Stasizentralen in Leipzig, Berlin und anderen Städten hörte.“
(Radjo Monk, Feldafing, 9. November 2004 Quelle: siehe unten, S. 275f.)
Radjo Monk, geboren und aufgewachsen in einer sächsischen Kleinstadt zwischen Chemnitz (damals noch Karl-Marx-Stadt) und Dresden, absolviert die Polytechnische Oberschule, macht anschließend eine Facharbeiterausbildung für Holztechnik und Dekorationsbau an den Städtischen Bühnen Karl-Marx-Stadt und arbeitet danach als Theatertechniker im dortigen Opernhaus. „Es war ein bunter Haufen. Während des Kulissenschiebens haben wir über Sartre geredet. Es war einfach toll!“ erinnert sich Christian Heckel später an diese Zeit. Angeregt vom Theaterbetrieb beginnt er, Stücke zu schreiben. Seine beginnende schriftstellerische Laufbahn wird durch den Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee unterbrochen. Der zunächst als literarisches Talent Geförderte wird jedoch bald alsr von der DDR-Staatssicherheit als politisch feindselig eingestuft.
„Im Oktober 1981 eröffnet die Diensteinheit XX/7 der Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt die operative Personenkontrolle »Joker« mit folgendem Anfangsverdikt:
»Heckel ist als Nachwuchsliterat tätig. In seinen Werken kommt eine negative Einstellung zu den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR zum Ausdruck«. Die angesetzten Spitzel tragen die Decknamen »Volker«, »Sylvia«, »Vallentin«, »Heine« und »Ingrid Kobold«. Der Bearbeitete erhält den Codenamen »Joker«, da er seit geraumer Zeit an einem Manuskript mit dem Arbeitstitel »Wahnfried Jokers Chronik« schreibt, das die Genossen von der Staatssicherheit heimlich gelesen und als gefährlich eingestuft hatten.“
(Joachim Walther: Radjo Monk – Wahrnehmung und Wahrgebung, Grünheide, Januar 2005 (Quelle: siehe unten, S. 279)
Seinen ersten Publikationen folgen Experimente im Bereich Musik und Film. Auf einer Reise nach Ungarn 1983 wird er aus dem Zug heraus auf tschechischer Seite verhaftet. Man wirft ihm Fluchtabsichten vor. Es folgen Dauerverhöre. Seine Bewerbung am Literaturinstitut Johannes R. Becher in Karl-Marx-Stadt bleibt erfolglos – „da die Unterbindung einer Profilierung negativer Personen“ , so die Staatssicherheit, „Kampfauftrag“ ist. Monk beugt sich den Repressalien nicht, engagiert sich in der alternativen Kunstszene, arbeitet mit der Untergrund-Zeitschrift A3 zusammen und gründet in seinem Geburtsort Hainichen eine Sezession von Künstlern unterschiedlicher Genres. Monk beteiligt sich an Performances, improvisiert mit Musikern eigene Texte, parodiert – öffentlich! – Texte realsozialistischer „Hofdichter“, experimentiert mit Super-8-Filmen und Diktiergerät. Seit 1990 arbeitet der Dissident unter dem Pseudonym Radjo Monk, eine Namensnennung, die er ausdrücklich nicht mit William Faulkner oder dem Jazzmusiker Thelonius Monk verknüpft wissen will, sondern als „phonetisch motivierte Identitätsstiftung“.
Unter seinem Pseudonym erscheinen nach der Wende mehrere Lyrikbände. Unter anderem, 1992, Orte und Worte, 1998 König im wüsten Land und Amenti vierspurig. Radjo Monk lebt und arbeitet in Leipzig, schreibt und experimentiert weiterhin. Im Juli 2004 erwirbt er an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst ein Diplom im Fach Medienkunst und entwickelt – parallel zur Textarbeit – Klangskulpturen wie Revolutiontable und Ex Voto, Installationen Der Gral – ein mentaler Trafo und Videofilme (Existenzschmuggler).
Seit 1988 lebt und arbeitet der Schriftsteller und Performance-Künstler mit der Fotografin Edith Tar. Gemeinsam konzipieren und realisieren sie seit einigen Jahren weltweit ihre literarisch-bildnerisch-fotografisch-filmisch-ökologischen Kunstprojekte.
Die Redaktion des EXIL-ARCHIVs bedankt sich bei der Büchergilde Gutenberg für Recherche-Unterstützung und Zurverfügungstellung von Material.
Die biografischen Daten sowie die Zitate wurden dem folgenden Buch entnommen:
Radjo Monk, Blende 89, Mit einem Nachwort von Joachim Walther, Edition Büchergilde, © 2005 Büchergilde Gutenberg Frankfurt am Main, Wien und Zürich, ISBN 3-936428-46-8. Erschienen in der Reihe Die verschwiegene Bibliothek, herausgegeben von Ines Geipel und Joachim Walther.
Links (deutsch):
http://www.leipzig-almanach.de/literatur_radjo_monk_sieben_gedichte_und_ein_prolog.html
http://www.leipzig-almanach.de/ literatur_radjo_monk_liest_neue_lyrik_grit_kalies.html
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