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Nessler, Walter

H.A.M. 0

Walter Nessler
Grafiker


Gest. 1912 Leipzig
Gest. 2001 London/ GB


1927-29 Kunstgewerbeschule Dresden, als Werbe-graphiker für Kaufhäuser tätig, 1934/35 Studium an der privaten, italienischen Malschule „Castello“ in Dresden, Atelier im selben Haus wie Lea und Hans Grundig , angewandte, graphisch-typographische Arbeiten im Bauhausstil (u.a. Lesemappen-Umschläge), Kulissen für die Mary-Whigman-Tanzschule, politisch engagiert.


Reagiert künstlerisch auf den spanischen Bürgerkrieg, veristische Zeichnungen und Malerei im Stil der Neuen Sachlichkeit, beeinflusst von den Grundigs sowie von Lyonel Feininger, kann seine freien Arbeiten nicht öffentlich zeigen, kommt der Aufforderung, der Reichskulturkammer beizutreten nicht nach, 1937 als Gemeinschaftsurlaub mit seiner englischen Freundin Prudence Ashbee getarnte Emigration nach London (Heirat Juni 1937), zwei Zyklen von Anti-Hitler-Cartoons (Dresden 1937, London 1941) finden in England keinen Anklang, aus Enttäuschung keine weiteren politischen Arbeiten, 1937/38 Schweizaufenthalt, entfaltet zwischen September 1938 und März 1939 in London große künstlerische Produktivität (Kreativitätsschub) und findet erste, vielversprechende Anerkennung, 1939 Geburt des Sohnes Conrad, 1940 Internierung im Übergangslager Huyton bei Liverpool, meldet sich freiwillig zum Kriegsdienst im britischen Pionier Corps, während der Stationierung 1944/45 in Bayeux/Frankreich und Brügge/Belgien entstehen surreale, stark abstrahierte Aquarellimpressionen von der kriegszerstörten Landschaft, zeichnet und malt 1946 nach der Entlassung aus der Armee zahlreiche Stadtansichten von Paris, später auch von London, 1947 Scheidung, 1948 als Kunstagent im Auftrag der Londoner Galerie Marlborough zwischen London und Paris tätig, arbeitet im Pariser Atelier der englischen Schwägerin und deren italienischen Mannes, 1953 zweite Ehe mit der Wiener Emigrantin Erica, seit 1957 dauerhafte Niederlassung in Hampstead, 1959 Studium der Bildhauerei an der St. Martin’s School of Art, seit den 1960er bis in die 1980er Jahre, angeregt durch den Bildhauer und Emigranten Paul Hamann, Malerei und Materialcollagen in Polyesterharz, zahlreiche Europareisen, die ihn zu Landschaftsaquarellen anregen.


Arbeiten in Deutschland vor der Emigration

Vielversprechende Anfänge, stilistisch jedoch wenig eigenständig; emigriert noch vor der zu erwartenden Verfolgung als sozialistischer Avantgarde-Künstler


Im britischen Exil

Gehört nicht zu den Emigrantenzirkeln, nicht zur britischen Kunstszene und in den 1950er Jahren auch nicht zur Kunstszene in Paris (wo er sich häufig aufhält); experimentiert in den 1960er Jahren mit einer breiten Skala von teils selbstentwickelten Techniken (Öl-Sand-Gemisch, Wasser/Öl-Malerei, Spachteltechnik, Collage, Frottage, Oberflächen-versiegelung und Material-Assemblagen aus Metallteilen in Polyesterharzguss, Metall- und Betonguss, Siebdruck, Monotypie) und arbeitet in unterschiedlichen Gattungen und Genres (u.a. Aktskizzen, Porträtzeichnungen, Stillebenmalerei, Architektur-Capriccios, halb- und vollplastische Arbeiten) sowie in unterschiedlichen Stilen der Moderne (teils mehr konstruktiv, teils mehr surreal), Stadtlandschaften auf Papier als motivisches Kontinuum von Dresden über Paris bis London, Festigung und zugleich Facettierung des additiv aus Wirklichkeitfragmenten gebildeten Bildraums durch architektonische Gerüste, Absenz des Menschen als individuelle Erscheinung, Figuren besitzen Kontur, aber kein individuelles Profil, Dominanz von konstruierendem und dekorativ schwingendem Lineament, sehr produktiv und experimentierfreudig, in Maßen erfolgreich


Weitere Kurzbiographien

Kunst im Exil in Großbritannien 1933-45. Ausstellungskatalog der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst Berlin. Berlin (West) 1986 (englische Übersetzung: Art in Exile in Great Britain. Ausstellungskatalog Camden Art Centre, London. London 1986), S. 145f.; Begleitheft zum Hitler-Alphabet von Walter Nessler (Text: Diether Schmidt). Pulsnitz 2000


Nachlass

Erica Nessler, London und Ernst-Rietschel-Kulturring e.V., Pulsnitz


Werk- und Literaturauswahl

Nessler, Walter: [Hitler] ABC, Dresden 1937, 21 gebundene Blätter aus braunem Karton mit montierten kreisrunden, aquarellierten Tuschfederzeichnungen, Kl.-8°, heute im Besitz des Ernst-Rietschel-Kulturrings, Pulsnitz (Bibliophiler Nachdruck: Walter Nessler: Das Hitler-ABC, hg. vom Ernst-Rietschel-Kulturring e.V., Pulsnitz mit Begleitheft: Diether Schmidt zum Hitler-Alphabet von Walter Nessler. Pulsnitz 2000)
– -: A Diary of Hitler, London 1941, Vorsatzpapier mit Titel und 25 lose Blätter mit lavierten und aquarellierten Tuschfederzeichnungen in Packpapier-Umschlag, Kl.-8°, Nachlass
Nessler – Walter Nessler, Interview im Rahmen der Oral History-Dokumentation „Civilian Internment in Britain 1939-45“, ca. zweistündiges Interview von 1978, Imperial War Museum, Department of Sound Records, Accession No. 003993/04
– – Walter Nessler. Dresden 30er Jahre bis London 80er Jahre. Deutsche Kunst im Exil. Ausstellungskatalog Galerie Berlin. Text: Ralf Hartweg 1990


Autorin:

Rosa von der Schulenburg

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