Geb. 27.1.1890 in Frankfurt/ Main
Gest. 1987 in London/ GB
„Theodor, das Schwein, bewegt ein höheres Streben: Künstler will er werden. Er lernte aber bald erkennen, daß die Kunst ein schlimmeres Schweineleben sei als das, welches er verlassen.“ Erna Pinner heißt die Autorin und Illustratorin des ungewöhnlichen „Schweinebuchs“ mit dem Untertitel „Von der Geburt bis zur Wurst“, das 1929 erschien.
Eva-Maria Magel: Kunst, ein Schweineleben: Das Werk von Erna Pinner, in: FAZ.NET Kultur vom 26.11.2004
Tiere haben zeitlebens im zeichnerischen Wirken von Erna Pinner eine große Rolle gespielt. Zuerst für die regelmässige Besucherin des Zoologischen Gartens in ihrer Heimatstadt Frankfurt, später auch im britischen Exil, wo sie u.a. naturwissenschaftliche Werke illustriert.
Iim Alter von 16 Jahren beginnt sie ihre Ausbildung am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt und kehrt – nach Stationen bei Lovis Corinth in Berlin, Felix Vallotton, Maurice Denis und Paul Sérusier in Paris – kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges in ihre Geburtsstadt zurück. Im Winter 1916/17 lernt Erna Pinner den Darmstädter Schriftsteller Kasimir Edschmid kennen. Aus der selbstbewußt-eigenständigen, emanzipierten jungen Frau und dem damals bereits bedeutenden Vertreter des literarischen Expressionismus wird – beruflich wie privat – das Traumpaar der zwanziger Jahre: er schreibt, sie illustriert seine Bücher und entwirft Kostüme zu seiner Bühnenarbeit.
1919 tritt Erna Pinner der Darmstädter Sezession bei. Es folgen erste Buchillustrationen, darunter Klabunds Blumenschiff.
Bereits 1914 hat Erna Pinner mit der Herstellung fast lebensgroßer Grotesk-Puppen aus Stoff (Pinner-Puppen) und dekorativer Pierrots begonnen, die später durch die Tänzerin Niddy Impekoven berühmt werden, von denen aber vermutlich keine mehr im Original erhalten ist.
Ausgerechnet ihr äußerst erfolgreiches und heiteres Schweinebuch ist übrigens daran schuld, daß die Künstlerin ihren ersten großen Schicksalsschlag durchleben muß. Beim Skizzieren im Schweinstall steckt sie sich 1919 mit Polio an – die sich mit zunehmenden Alter verschlimmernde Lähmung zwingt sie schließlich, das Malen zugunsten der Zeichnung aufzugeben, was sich allerdings – rückblickend – als Glücksfall für ihre künstlerische Entwicklung erweisen soll. Mit wenigen Strichen erzielt sie eine maximale Wirkung, sowohl bei ihren Tierstudien als auch in den Stadt- und Landschaftsskizzen in den mit Edschmid verfassten Büchern über ihre gemeinsamen Reisen nach Südeuropa, Afrika und Lateinamerika.
Der Darmstädter Verlag Dachstube bringt, gemeinsam mit Pinner und Edschmid, in den Zwanziger Jahren eine Reihe von Künstlerbüchern heraus, darunter 1923 Zur Naturgeschichte der Antilopen mit zahlreichen Lithografien von Erna Pinner.
Im März 1935 wird sie aus der Reichskammer der Bildenden Künste ausgeschlossen und emigriert, zusammen mit ihrer Mutter, am 13. Oktober desselben Jahres nach London. Ihr Freund Kasimir Edschmid bleibt – trotz Publikationsverbots und der Verbrennung seiner Bücher – in Deutschland, wo er 1941 die Musikerin Elisabeth von Harnier heiratet. Die Verbindung zu Erna Pinner, seit 1938 völlig abgerissen, wird erst ab 1946 bis zu Edschmids Tod im Jahr 1966 durch einen regen Briefwechsel wiederaufleben.
„Von 1935 bis zu ihrem Tod 1987 lebte sie in stiller Anonymität in kleinen Wohnung zu West Hampstaed. Von der weltreisenden Künstlerin und Schriftstellerin wandelte sie sich allmählich zur akribisch beobachtenden, die Tierwelt beschreibenden Naturwissenschaftlerin. Dank ihrer ungeheuren Selbstdisziplin, Zähigkeit und Lernfähigkeit wurde sie ein Sonderfall unter den oftmals zur Erfolglosigkeit verdammten Exilanten; es gelang ihr, eine neue Karriere zu beginnen – ein zweites Mal in ihrem Leben erlangte sie Achtung und Bewunderung für ihre Arbeit, ihre Bücher und ihre Illustrationen.“
Quelle: Lutz Becker: Von der Kunst zur Wissenschaft: Der erstaunliche Lebensweg der Erna Pinner. In: Ich reise durch die Welt. Die Zeichnerin und Publizistin Erna Pinner, Weidle-Verlag Bonn 1997, S. 11,
Literatur:
Werk und Wirken der geborenen Frankfurterin und späteren Britin Erna Pinner sind heute fast vergessen. Ein Teil ihres Nachlasses und ihrer Arbeiten wird im Frankfurter Institut für Stadtgeschichte, teilweise auch im Historischen Museum und von dem in Frankfurt ansässigen Enzio Edschmid aufbewahrt.
Ulrike Edschmid:
Wir wollen nicht mehr darüber reden. Erna Pinner
und Kasimir Edschmid – Eine Geschichte in Briefen.
Luchterhand Literaturverlag, München 1999, ISBN: 3630870279
Links (deutsch):
http://www.ddb.de/news/pressemitt_pinner.htm
http://www.welt.de/daten/1999/04/24/0424lw65205.htx
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/165370
http://www.wienerzeitung.at/frameless/lexikon.htm?ID=6725
http://members.fortunecity.com/dikigoros/entrenous.htm
http://www.zvab.com/angebote/afrika.html
http://www.antiquarpetrej.ch/shop/buch_a.cfm/34593
http://www.weidleverlag.de/veranstaltungen.htm
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/165370
http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=832
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